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Champions-League-Sieger PSGFußball ohne jede Kontrolle

Martin Krauss
Kommentar von Martin Krauss

Spielerisch überlegen, weil ökonomisch überlegen? Ja, aber der Sieg von PSG war auch ein politisches Symbol.

Martialischer Jubel nach Gewinn der Champions League Foto: Jan Schmidt-Whitley/Le Pictorium via ZUMA Press/dpa

N ach dem Erfolg einer stolzen Republik hört sich das nicht an. Paris sei „endlich König von Europa“, schriebt Le Parisien, und Le Monde hat „eine lang ersehnte Krönung“ erblickt. Die Zeitungen kommentieren den 5:0-Sieg, mit dem der Paris Saint-Germain Football Club am Samstag in München die Champions League der Männer gegen Inter Mailand gewonnen hat.

Sensationell gewonnen, das muss man hinzufügen, denn ein 5:0-Sieg in so einem Spiel, auf dem Niveau fußballerischer Weltklasse, das drückt eine unfassbare Dominanz aus. Es ist eine derartige Überlegenheit, dass sie nicht allein sportlich, mit den Mitteln der Fußballanalyse, zu erklären ist. Die Überlegenheit ist allerdings auch nicht allein ökonomisch zu erklären. Denn das Team, das der katarische Staatsfonds Qatar Sports Investments zusammengekauft hat, ist zwar etwas weniger als eine Milliarde Euro wert, aber das ist kaum mehr als Bayern München und weniger als Manchester City.

Um ganz zu verstehen, was sich da am Samstagabend ereignet hat, müssen wir noch mindestens eine weitere Kategorie bemühen: Der 5:0-Sieg war – wollen wir mal nicht übertreiben: auch – ein politisches Symbol. Er zeigt uns nämlich, wie wir uns über die Jahre an Zustände gewöhnen, von denen wir wussten, dass sie schlimm sind.

Dass das Emirat Katar nicht mit Profitinteresse in den Fußball investiert hat, war immer klar. Dass die Millionen an Petrodollars nicht aus Liebe zum Sport flossen, war noch klarer.

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Sportswashing lautet der Fachausdruck. Doch auch der erklärt noch nicht alles. Die fußballerische Herrschaft des Emirats, ausgeübt von dem Milliardär Nasser al-Khelaïfi, versinnbildlicht, dass es im durchkapitalisierten Fußball immer noch ein bisschen schlimmer geht. Gerade weil der Fußball ohne jegliche demokratische Kon­trol­le agiert, werden Entwicklungen wie der Triumph von PSG möglich. Der 5:0-Sieg am Samstag symbolisiert die Normalisierung von Zuständen, von denen wir doch wissen, dass sie unhaltbar sein sollten. Da von „Krönung“ und „König“ zu sprechen, drückt also unbeabsichtigt eine traurige Wahrheit aus.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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9 Kommentare

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  • Nasser al-Khelaïfi ist mir ziemlich egal, ich kenne ihn gar nicht. Fan von PSG FC bin ich auch nicht.



    Jedoch haben die Jungs Fussball vom Feinsten gezeigt. Da ist jeder für jeden gelaufen und hat auf jeder Position, ohne Starallüren Marke Mbappé, ausgeholfen. Es war Unterhaltung vom Feinsten.

    Am Fussball und seiner Kommerzialisierung mag es viel auszusetzen geben, ich bin auch kein Freund davon, doch gestern Abend war ein fulminantes Beispiel für guten Fussball.

    Bis auf die Siegesfeier, wo sich ein Investor in den Vordergrund drängen musste, statt jenen die sich im Schweisse ihres Angesichts den Sieg verdient hatten, das unbeschwerte Feiern zu gönnen.

  • "Sensationell gewonnen, das muss man hinzufügen, denn ein 5:0-Sieg in so einem Spiel, auf dem Niveau fußballerischer Weltklasse, das drückt eine unfassbare Dominanz aus.": Naja, Dominanz: WM 2014, die DFB-Elf besorgt Brasilien im Halbfinale mit 7:1. WM 2018: Die DFB-Elf scheidet in der Vorrunde sang- und klanglos aus. Hält hält manchmal nicht lange.

    • @Josef 123:

      Ja, ebenso: 1990 Weltmeister, 1994 im Viertelfinale raus.

  • Ich verstehe die Kritik des Artikels, aber hier wird schon die Realität sehr für die eigene These gebeugt.



    Katar und Nasser al-Khelaïfi haben im Mai 2011, also vor knapp 15 Jahren, PSG mehr oder minder übernommen.



    Seither wurden Milliarden im Club versenkt - und jedes Jahr kam am Ende NICHTS dabei raus, denn französischer Serienmeister wurde PSG auch schon vorher...



    PSG war bis gestern das Paradebeispiel, dass man mit Geld eben doch nicht alles kaufen kann - und für mich ist es das auch noch heute.



    Es hat nun einmal in 15 Jahren geklappt - ob das den Aufwand von Milliarden und Abermilliarden wert war, puh.



    Wenn sie mehrmals hintereinander die CL gewinnen, dann kann man darüber debattieren.



    Ausserdem sind sie bei Leibe nicht die einzigen Privatinvestoren, die sich einen Club als positives Aushängeschild gönnen - und die ersten waren sie erst recht nicht.



    Und Nasser al-Khelaïfi ist selbst begeisterter Sportler, spielte Tennis auf höchster Ebene - im Davis Cup und auf der ATP World Tour. Ich nehme ihm das sportliche Interesse an PSG absolut ab.



    Natürlich hat er einen unendlichen Geldbeutel, das allein kann aber kein Ausschlußkriterium für Engagement sein.

    • @Farang:

      "...denn französischer Serienmeister wurde PSG auch schon vorher..." - Non, pas du tout! Das stimmt aber sowas von gar nicht. Aber Hauptsache, mal was gepostet...

  • "Da von „Krönung“ und „König“ zu sprechen, drückt also unbeabsichtigt eine traurige Wahrheit aus"

    Ich sehe aber noch keine Vor- oder Anzeichen der Revolution, die Kasse ist ja prall gefüllt.



    "Frankreich vor der Revolution



    Im Mai 1789 ruft Ludwig XVI. die Generalstände ein. Er braucht dringend Geld, die Versammlung soll es bewilligen. Aber Bauern und Bürger wollen ein neues Abstimmverfahren. Als das Zugeständnis ausbleibt, bricht die Revolution aus."



    Quelle ardalpha.de

    "Frankreich hatte im 17. und 18. Jahrhundert ein umfangreiches und ergiebiges Finanzsystem entwickelt. Es diente — wie im übrigen Europa auch — zur Finanzierung der drei großen Ausgabenbereiche von Schulden, Militär und Beamtenschaft (Justiz und Verwaltung)"



    Quelle



    "Steuern und Staatsfinanzen während der Industrialisierung Europas



    England, Frankreich, Preußen und das Deutsche Reich 1800 bis 1914"



    Bei link.springer.com



    Part of the book series: Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft



    Die Begriffe, Personen und Umstände sind ersetzbar oder zu analogisieren, aber die Lösungen sind m.E. (noch) nicht erkennbar.

  • Als Linker muss man sich doch über diesen Erfolg freuen. Ein Staat investiert Geld für Menschen. Die Linken wollen doch das der Staat alles bezahlt also auch den Sport. Der gehört nun mal dazu. Daher finde ich die Kritik falsch

  • Der Fußball krankt am grenzenlosen Einsatz des Geldes, der völlig ohne Schranken in sportliche Qualität umgemünzt werden kann. Baut man die nicht ein (wie etwa in den amerikanischen Profiligen) hat das eine Konzentration an der Spitze zur Folge. Die nationalen Ligen sind deswegen schon stinklangweilig (Bayern hat seit 2013 92,3 % aller Meistertitel eingesammelt).



    Das Sportwashing wäre nur halb so interessant, wenn die Jubelbilder auch mal Freiburg als Deutschen Meister oder die Young Boys Bern als Champions League-Sieger zeigen würden, das zumindest theoretisch möglich wäre.

    • @Bambus05:

      Ich bin sicher, hätte jeder Verein nur das gleiche Budget zur Verfügung wie in der NFL der USA, wäre die Liste der Nationalen Meister und der CL Sieger wesentlich bunter.

      Allerdings wäre dann eine solch überragende Talentdemonstration wie im Spiel PSG vs. Inter wohl auch undenkbar. Was meiner Meinung nach zu verschmerzen wäre, steigt doch mit jeder Saison die Spannung erneut, wer denn dieses Mal Meister wird.